Frau Michalczyk (32) las im Stuttgarter Wochenblatt zufällig von ValiKom und setzte sich daraufhin mit Frau Dr. Nicolle Breusing, Beraterin der IHK Region Stuttgart, in Verbindung. Aufgrund einer ausgeprägten Rechenschwäche hat Frau Michalczyk einen Sonderschulabschluss. Der Versuch, den Hauptschulabschluss nachzuholen, ist gescheitert: »Dies war mit ein Grund, dass ich für mich eine Berufsausbildung ausgeschlossen habe. Um dennoch Geld zu verdienen, habe ich angefangen, in der Gastronomie zu arbeiten und bin seit 6,5 Jahren in einem systemgastronomischen Betrieb beschäftigt.« Mit diesen Worten startete Frau Michalczyk in das Beratungsgespräch. »Für mich würde ein Nachweis der IHK über meine beruflichen Kompetenzen viel bedeuten«, ergänzte sie.
Im Beratungsgespräch haben die beiden Frauen nicht nur über den Werdegang von Frau Michalczyk gesprochen, sondern auch über den Verfahrensablauf und die Wahl des richtigen Referenzberufs. Frau Breusing schlug den Beruf »Fachfrau für Systemgastronomie« als möglichen Referenzberuf vor und stellte ihr die Inhalte des Ausbildungsberufs vor. Frau Michalczyk konnte ihre Berufserfahrung in vielen der zu dem Beruf gehörenden Tätigkeitsbereichen wiederfinden und so hat sie im Rahmen eines Workshops eine Selbsteinschätzung ihrer Kompetenzen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen des vorgeschlagenen Referenzberufs vorgenommen.
Da Frau Michalczyk den Wunsch äußerte, die Fremdbewertung bei ihrem Arbeitgeber durchzuführen, haben sich die beiden Berufsexperten im anschließenden Beratungsgespräch zur Fremdbewertung von Frau Michalczyk die Organisation und Infrastruktur ihres Betriebes erklären lassen. Sie kamen zu der Einschätzung, dass eine Bewertung dort sehr gut möglich ist. Daraufhin nahm Frau Breusing Kontakt zum Arbeitgeber von Frau Michalczyk auf. Bei einem Vor-Ort-Termin zeigte sich dieser sehr interessiert an der Validierung von Frau Michalczyks Kompetenzen und sagte zu, bei der Vorbereitung und Durchführung der Fremdbewertung zu unterstützen. Unter anderem wurde der Dienstplan von Frau Michalczyk angepasst und die verschiedenen Stationen im Betrieb (Lager, Produktion und Service) vorab über die Fremdbewertung in Kenntnis gesetzt.
Am Tag der Bewertung begleitete ein Manager des Unternehmens die Bewertung, um die Abläufe zu koordinieren und den laufenden Betrieb nicht zu stören. In der dreistündigen Fremdbewertung haben die Berufsexperten mit Hilfe von Arbeitsproben, Fachgesprächen und einem Rollenspiel die festgelegten Tätigkeitsbereiche bewertet. Frau Michalczyk hat die von ihr ausgewählten Tätigkeitsbereiche alle geschafft und ist nun sehr stolz auf ihr Zertifikat, das ihr die teilweise Gleichwertigkeit bescheinigt. Sie möchte dies für ihre weitere berufliche Entwicklung nutzen.
Kristina Herwig vom Bauunternehmen Thomas Herwig war auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Berufserfahrung ihrer Mitarbeiter offiziell anerkennen zu lassen. Mit ihrem Anliegen wandte sie sich an ihre zuständige Handwerkskammer und berichtete Katharina Sussek, Beraterin der HWK Dresden, von einem langjährigen, guten Mitarbeiter: Herr Vagt erlernte in der ehemaligen DDR den Beruf des Backwarenfacharbeiters und schloss diese Ausbildung im Jahr 1990 erfolgreich ab. Im Jahr 1996 kam er zum Bauunternehmen Herwig, bei dem er bis heute als Straßenbauer beschäftigt ist.
Durch seine inzwischen 22-jährige Tätigkeit beim Unternehmen Herwig eignete sich Herr Vagt umfassende berufspraktische Straßenbauer-Kompetenzen an. Frau Herwig fragte, welche Möglichkeiten und Wege es gäbe, die Berufserfahrung von Herrn Vagt anzuerkennen und ihm dadurch nicht nur firmenintern, sondern auch offiziell Wertschätzung und Anerkennung zukommen zu lassen. Die Informationen über das in ValiKom neu entwickelte Validierungsverfahren trafen bei Frau Herwig auf großes Interesse und sie informierte ihren Mitarbeiter über das Verfahren. Im August 2017 reichte Herr Vagt seine Antragsunterlagen ein.
Im Herbst 2017 meldete sich Frau Herwig erneut bei der HWK Dresden. Sie habe einen zweiten Teilnehmer für ValiKom, ebenfalls einen Mitarbeiter: Pierre Weber hat seine Ausbildung zum Metallbauer nicht abgeschlossen und damit keinen Berufsabschluss erworben, arbeitet aber seit mehr als 14 Jahren im Bereich Straßenbau. Mit Unterstützung beim Ausfüllen der Formulare durch Frau Herwig stellte auch Herr Weber einen Antrag auf Teilnahme an einem Validierungsverfahren für den Beruf Straßenbauer.
Am Tag der Fremdbewertung stellten die beiden unter den Augen eines erfahrenen Ausbilders für den Beruf Straßenbauer ihre Kompetenzen unter Beweis und erhielten am Ende jeweils ein Validierungszertifikat der Kammer, das ihnen bescheinigt, dass ihre Kompetenzen (teilweise) mit dem Beruf Straßenbauer gleichwertig sind.
Frau Herwig ist froh, dass ihre Mitarbeiter den Schritt gewagt und an einer Validierung ihrer beruflichen Kompetenzen teilgenommen haben. »Ich begrüße ein Verfahren wie ValiKom ausdrücklich. Mit ihren Validierungszertifikaten erhalten Herr Vagt und Herr Weber endlich die Anerkennung und Wertschätzung, die ihnen gebührt«, sagt Frau Herwig. »Beide arbeiten schon viele Jahre im Beruf Straßenbauer; ihre Erfahrungen sollten auch für alle sichtbar sein«.
Durch den herrschenden Fachkräftebedarf gibt das Unternehmen seit Längerem auch Bewerbern ohne passenden Berufsabschluss eine Chance: »Rund 25 % unserer Mitarbeiter sind keine gelernten Straßenbauer« berichtet Frau Herwig. Zukünftige Bewerber, welche ein Validierungszertifikat vorlegen könnten, hätten sehr gute Chancen auf eine Arbeitsstelle beim Unternehmen Herwig.
Frau Wachsmuth wurde durch ihre zuständige Agentur für Arbeit auf das Projekt ValiKom aufmerksam. Sie meldete sich bei Frau Dr. Kathrin Rheinländer, die bei der IHK Halle-Dessau für ValiKom zuständig ist. Nach dem ersten Beratungsgespräch war Frau Wachsmuth sofort klar, dass sich ihre Aussichten, wieder einen Job im Büro zu bekommen, mit einem Validierungszertifikat der IHK enorm verbessern. Sie hatte nach Ausbildung und Tätigkeit in der Hotelbranche seit 14 Jahren als kaufmännische Angestellte gearbeitet. Für die beruflichen Kompetenzen im Büro fehlte ihr ein unabhängiger Nachweis – sie galt hier als ungelernt. Deshalb stellte sich Frau Wachsmuth dem Validierungsverfahren.
In der Selbsteinschätzung konnte sie die Tätigkeiten des Berufsbildes »Kauffrau für Büromanagement« reflektieren. Bei einigen Tätigkeiten war Frau Wachsmuth unsicher, wie sie sich selbst einschätzen sollte. Hier half das Gespräch mit der Berufsexpertin, die sie ermutigte, ihr Können für alle Tätigkeitsbereiche unter Beweis zu stellen. Und die Fremdbewertung hat gezeigt, dass die Berufsexpertin mit ihrer Einschätzung richtig lag. Die IHK Halle-Dessau konnte Frau Wachsmuth die volle Gleichwertigkeit ihrer Kompetenzen mit ihrem Referenzberuf bescheinigen. Sie hat eine neue Arbeit im Büro gefunden. Rückblickend sagt sie: »Durch das Zertifikat sind meine Chancen gestiegen, dass ich nach der Probezeit auch übernommen werde. Ich bin wirklich froh, dass ich an ValiKom teilgenommen habe.«
Wer seine Mitarbeiter halten möchte, der muss sie gut behandeln, sagt Michael Mann von der Mann GmbH in Hattenhofen. Nach diesem Grundsatz führt der 39-jährige Ingenieur der Versorgungstechnik seit zehn Jahren sein Unternehmen. „Das Thema Nachqualifizierung ist schon lange in meinem Orbit umhergekreist. Der Wunsch eines Mitarbeiters hat den Anstoß gegeben, eine Mitarbeiterin zu beauftragen, explizit nach Weiterbildungsmöglichkeiten zu suchen. Als sie mir das Validierungsverfahren als Instrument zur Feststellung des passgenauen Weiterbildungsbedarfs vorstellte, dachte ich, das ist genau das, was ich suche.“
In seinem Betrieb arbeiten auch Menschen, die keine deutsche Berufsausbildung haben. „Diejenigen von ihnen, die aus Ungarn kommen, sind handwerklich sehr gut ausgebildet. Sie sind wirklich fit auf ihrem Gebiet, aber natürlich ist unser Ausbildungssystem ein anderes und oft haben sie auch den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit gewechselt.“ Eine Ausbildung zu beginnen, sei für sie keine Option. „Die Lehre ist für jüngere Menschen geeignet. Wenn jemand nach der Schule eine Ausbildung beginnt, ist das richtig, aber für etwas Ältere, die ihre Miete bezahlen und womöglich noch eine Familie ernähren müssen, ist das nicht mehr attraktiv.“ Trotzdem hätten sie noch Ambitionen, denen man mit dem Validierungsverfahren gerecht werde.
Aber nicht nur Michael Manns Angestellte profitieren in seinen Augen von der Teilnahme: „Für mich ist das eine Qualitätssache. Ich kann sagen, in meinem Betrieb haben alle irgendeine Art von Qualifikation nach deutschem Maßstab.“ Auch in der Vorbereitung auf die Fremdbewertung sieht der 39-Jährige einen Nutzen für sein Unternehmen: „Es wird Können aufgefrischt, das vielleicht eine Weile nicht benötigt wurde, weil es die Anforderungen im Alltag nicht verlangt haben.“ Für den Unternehmer hat das Validierungszertifikat Aussagekraft, weil es von einer deutschen Handwerkskammer ausgestellt wird. „Und, weil es sich eben an den Inhalten einer Gesellenprüfung orientiert.“ Vier Angestellte haben bereits am Verfahren teilgenommen.
Natürlich habe er zu Anfang den Gedanken gehabt, dass es für die Beschäftigten mit dem Zertifikat einfacher sei, ‚abzuwandern‘, aber das sei bisher nicht der Fall gewesen. Im Gegenteil. Alle würden es schätzen, dass ihr Chef ihnen die Teilnahme am Verfahren ermöglicht.
Im Jahr 2012 hat Alexander Prox das Unternehmen novocal übernommen, ist seitdem Inhaber, Geschäftsführer und Vorgesetzter von 62 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er ist lange genug in dieser Position, um zu wissen, dass Fachkräfte Mangelware sind. „Früher war es so üblich, dass man 20 Jahre in ein und demselben Betrieb gearbeitet hat. Aber das ist heute häufig nicht mehr so“, sagt der 49-Jährige. Um gute Mitarbeitende zu halten, müsse man ihnen Wertschätzung entgegenbringen, ist Prox überzeugt. Man müsse Mitarbeitende dort einsetzen, wo sie sich weiterentwickeln können oder sie anderweitig fördern. Zum Beispiel mit einer Teilnahme am Validierungsverfahren.
Über einen Mitarbeiter, der seinen Meister gemacht hat und dadurch mit der IHK für Ostfriesland und Papenburg im Austausch war, ist das Unternehmen auf das Validierungsverfahren aufmerksam geworden. Zunächst hatte man im Unternehmen an zwei Mitarbeiter gedacht, für die das Verfahren in Frage käme. Zu Prox Verwunderung waren es dann aber tatsächlich elf Mitarbeitende, die keine Berufsausbildung oder zumindest keinen Abschluss hatten. „Das hat uns schon gewundert“, sagt der Geschäftsführer. „Unter anderem war sogar einer unserer Produktionsleiter dabei, der keine abgeschlossene Berufsausbildung hat – einer unserer besten Männer.“ Er war schon bei novocal angestellt, bevor Prox das Unternehmen übernahm, daher sei die fehlende Berufsausbildung nie zur Sprache gekommen.
Im Validierungsverfahren sieht er einen Mehrwert für die Beschäftigten: „Sie bekommen attestiert, dass sie in ihrem Fach wirklich gut sind und das ist gleichzeitig Wertschätzung. Profitiert haben die Mitarbeiter auch sehr von der handlungsorientierten Ausrichtung des Verfahrens. „Zwar seien einige der Mitarbeitenden vor der Teilnahme skeptisch gewesen, weil sie nicht gewusst hätten, was auf sie zukommt, doch am Ende waren alle glücklich und stolz, erfolgreich am Verfahren teilgenommen zu haben. Und glückliche Mitarbeitende, das weiß jeder Unternehmer, sind die Treusten“, sagt Prox.
Jeder Versuch, Arbeit in seinem erlernten Beruf als Technischer Produktdesigner zu finden, scheiterte, als Majd Osman 2015 nach Deutschland kam. Der Grund: Der Syrer konnte keine Berufsausbildung im klassischen Sinne vorweisen. „Ich verstehe das, es ist in Deutschland einfach so geregelt, dass eine Ausbildung wichtig ist“, sagt Majd Osman. Um doch wieder in seinem Beruf arbeiten zu können, zog Majd Osman sogar in Betracht, eine Ausbildung zu beginnen. Doch selbst diese Möglichkeit gab es für den 42-Jährigen nicht, denn auch sein Fachabitur wurde in Deutschland nicht anerkannt. Allenfalls mit einem Hauptschulabschluss wollte man sein Zeugnis aus Syrien gleichsetzen. Eine Tatsache, die Majd Osman sprachlos machte – und zutiefst deprimierte, denn mit einem Hauptschulabschluss ist es in Deutschland faktisch unmöglich, eine Ausbildungsstelle zum Technischen Produktdesigner zu finden. Hoffnung keimte erst auf, als er über eine Mitarbeiterin des IQ-Netzwerks Thüringen, das sich unter anderem um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse kümmert, zufällig vom Validierungsverfahren erfuhr. Ohne Probleme konnte er die Berufsexpertinnen von seinen Fähigkeiten überzeugen und meisterte seine Fremdbewertung mit Erfolg.
Die Belohnung ließ nicht lange auf sich warten: Innerhalb von zweieinhalb Monaten bekam er drei Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Er entschied sich für einen Arbeitgeber, für den er auch heute, dreieinhalb Jahre später, noch arbeitet. Für ihn ist klar: Ohne sein Validierungszertifikat wäre er nicht da, wo er ist. „Das Zertifikat der IHK hat mir die Hoffnung zurückgebracht“, sagt Majd Osman. „Es hat mir erstens geholfen, schnell auf die Beine zu kommen und mein eigenes Geld zu verdienen, und zweitens konnte ich endlich meine Fähigkeiten zeigen.“ Aktuell plant er eine Weiterbildung zum Techniker. „Ich wurde als Technischer Produktdesigner angestellt, mache aber Aufgaben, die darüber hinausgehen“, erklärt er. Majd Osman ist ehrgeizig, möchte weiterkommen. „Es geht dabei um viel mehr, als ums Geld verdienen. Es ist mein persönliches Anliegen, mich immer weiterzuentwickeln, egal ob ich in Syrien lebe oder in Deutschland“, sagt er.
Fabienne Neubauer trägt Verantwortung. Sie führt das Büro des Naturheilpraktikers, für den sie seit sechs Jahren arbeitet. Sie rechnet ab, ordnet, sortiert, kümmert sich um Auszubildende. Und das, obwohl sie ursprünglich gar nicht aus dem Bereich Büromanagement kommt. Sie hat nach der Schule eine Friseurausbildung absolviert. „Das hat mir auch immer Spaß gemacht, aber es war trotzdem nicht das, was ich mein Leben lang machen möchte“, sagt sie. Das Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft nutzte Fabienne Neubauer dann auch nicht etwa, um sich auszuruhen, sondern machte eine Fortbildung im Bereich Büromanagement. „Ich konnte immer schon gut mit Zahlen und fand die buchhalterischen Aufgaben, die es ja auch im Friseursalon gibt, toll“, sagt sie. Mit ihren Bewerbungen um Bürotätigkeiten habe sie zwar gute Resonanz erzielt, doch trotzdem hieß es meistens: „Eigentlich haben Sie ja keine Ausbildung in diesem Bereich.“ Jobs bekam sie trotzdem: In einem Callcenter, einem Reha-Zentrum, in einer Physiopraxis – alles kleine Jobs, wie sie sagt, in denen sie gleichzeitig aber viel lernen konnte. Doch es gab einige Rückschläge.
Fast wollte Fabienne Neubauer schon aufgeben, als sie schließlich doch noch mal zu einem Vorstellungsgespräch ging – ihrem aktuellen Arbeitgeber. „Das war dann die Erlösung“, sagt sie. Das Vertrauen, das ihr Arbeitgeber ihr schenkte, nahm die 36-Jährige dankbar an. Die Praxis wuchs und mit ihr auch das Aufgabenfeld von Fabienne Neubauer. Bald arbeitete sie als Praxismanagerin, ihr Chef weiß, was er an ihr hat und doch hatte Fabienne Neubauer das Gefühl, dass noch etwas fehlt. „Deutschland ist ein Land, das Wert auf Papiere legt“, sagt sie und fügt hinzu: „Und außerdem fand ich es auch wichtig, den Patienten bestätigen zu können, dass ich das, was ich tue, auch von der IHK zertifiziert bekommen habe.“
Hochschwanger habe sie innerhalb von drei Wochen das Verfahren absolviert. „Ich habe zuvor noch ein Online-Programm absolviert, um mir ganz sicher zu sein, dass ich es schaffe und habe dann auch die volle Gleichwertigkeit erlangt“, erzählt sie. Jetzt sei sie wahnsinnig stolz, dass sie es geschafft hat und endlich etwas in der Hand hat, das belegt, was sie kann.
Mehr als 35 Jahre im Beruf machen Stephan Lembgen zu einem erfahrenen, kompetenten Mitarbeiter. Auch eine Berufsausbildung hat er absolviert – nur leider nie abgeschlossen. „Ich bin 1982 in die Lehre zum Elektroinstallateur gegangen“, sagt der 53-Jährige. „Zu diesem Zeitpunkt sind ein paar Dinge im privaten Umfeld passiert, die mich in der Prüfung an alles haben denken lassen, nur nicht an die Prüfung selbst“, erzählt er. Mittlerweile habe sich eine regelrechte Prüfungsangst entwickelt, so dass ein Nachholen der Prüfung für ihn ausgeschlossen war. Über all die Jahre hat Stephan Lembgen viel Berufserfahrung gesammelt. „Praktisch macht mir so schnell keiner etwas vor“, sagt der Familienvater. Das praxisbezogene Validierungsverfahren war also genau das Richtige für ihn, um doch noch ein offizielles Dokument über seine Fähigkeiten in der Hand halten zu können.
Um das Validierungsverfahren erfolgreich zu meistern, ist zwar auch theoretisches Wissen notwendig, aber es wird nicht schriftlich abgefragt, sondern zeigt sich in der korrekten Ausführung der praktischen Tätigkeiten und in Fachgesprächen. Bei großer Prüfungsangst kann natürlich auch die bloße Anwesenheit eines Berufsexperten oder einer Berufsexpertin Unbehagen auslösen, doch die individuelle Betreuung und das gegenseitige Kennenlernen vor der Fremdbewertung nehmen den Teilnehmenden erfahrungsgemäß die Angst. Auch für Stephan Lembgen war die intensive Betreuung durch die Handwerkskammer Koblenz ein Schlüssel zum Erfolg, sagt er: „Meine Beraterin hat mir immer wieder Mut zugesprochen, das hat geholfen.“
Für das Unternehmen, für das Lembgen arbeitet, ist seine Teilnahme am Validierungsverfahren ein Gewinn. Nun gibt es keine Sicherheitsbedenken mehr, Stephan Lembgen auch gefährliche Arbeiten – wie etwa das Inbetriebnehmen von Anlagen – ohne Aufsicht durchführen zu lassen. Und für Stephan Lembgen ist seine Teilnahme am Projekt auch in privater Hinsicht ein Erfolg. „Nachdem ich nun das Validierungsverfahren abgeschlossen habe, bin ich viel selbstbewusster. Denn ich weiß, dass ich es kann und habe jetzt auch den Beleg dafür.“
Schule - endlich fertig, endlich arbeiten. Mit dieser Einstellung hat der damals 16-jährige Tobias Jensen seine Schulzeit beendet und die Ausbildung zum Landschaftsgärtner angefangen. Dass zu einer Ausbildung aber immer auch ein schulischer Teil gehört, sei ihm damals gar nicht so bewusst gewesen, sagt der heute 37-Jährige. Die Folge: Auch die Berufsschulzeit war nicht von Erfolg gekrönt. „Ich habe nichts für die Schule getan, sondern das Ganze viel mehr über mich ergehen lassen“, sagt Tobias Jensen. Die Arbeit als Landschaftsgärtner aber habe er immer gern gemacht. Doch nur eine gute Arbeitsmoral habe dem damaligen Vorgesetzten nicht gereicht. So gab es statt des geplanten Abschlusszeugnisses einen Aufhebungsvertrag.
Weiter als Landschaftsgärtner hat Tobias Jensen trotzdem gearbeitet. Den Abschluss nachzuholen sei ein immer wiederkehrender Gedanke gewesen, doch nie so drängend, dass er ihn in die Tat umgesetzt hätte. „Ich habe auch so mein Geld verdient, dann kam auch schon das erste Kind und so sind die Jahre verstrichen, ohne, dass etwas passierte.“ Durch seine Berufserfahrung verdiene er gutes Geld, er trägt in der Firma, in der er seit 13 Jahren angestellt ist, Verantwortung, setzt große Projekte um. Erst als er an einer Weiterbildung teilnehmen möchte, wird der fehlende Berufsabschluss ein Problem. „Ohne diesen war die Teilnahme nicht möglich“, erzählt er.
Die Anbieter der Weiterbildung kannten das Validierungsverfahren und erzählten Tobias Jensen davon. „Das erschien mir wie eine wirklich machbare Möglichkeit, die ohne große Einschränkungen möglich war“, sagt Tobias Jensen. Denn er konnte seinen Job weiter ausüben und hatte keine finanziellen Einbußen. Was er allerdings brauchte, waren zwei Fortbildungen, um alle Bereiche des Berufsbildes bewerten lassen zu können. „Diesen Anspruch hatte ich schon an mich.“ An diesem Punkt habe er seinen Chef mit einbezogen, der ihn bereitwillig unterstützte, indem er Tobias Jensen den Kettensägenschein sowie eine Weiterbildung zum Thema Pflanzenschutz bewilligte. Mit diesen beiden Scheinen in der Tasche war auch die Fremdbewertung kein Problem mehr. „Im Endeffekt war die Bewertung eine Bestätigung dessen, was ich kann und was ich bisher erreicht habe“, sagt er. „Das gibt Selbstvertrauen.“
Wer etwas erreichen will, darf niemals stehen bleiben – nach diesem Grundsatz lebt und handelt Mona Isso und hat schon viel erreicht. Vor fünf Jahren ist die heute 38-Jährige aus Syrien nach Deutschland gekommen. In Syrien hat sie eine Ausbildung als Designerin und Maßschneiderin absolviert, woran sie in Deutschland anknüpfen wollte. Trotz fehlender Zeugnisse fand sie einen Job in einer Modeboutique, doch Mona Isso wollte nicht nur arbeiten, sie wollte sich auch weiterentwickeln.
Da ihr Berufsabschluss hier nicht anerkannt wurde, musste sie einen anderen Weg finden, um ihre bisherigen Leistungen zertifizieren zu lassen. Also wandte sie sich an eine Handwerkskammer in ihrer Nähe. Überzeugt, dass das Validierungsverfahren genau richtig für sie ist, meldete sie sich bei der Handwerkskammer Aachen zum Verfahren im Beruf Maßschneiderin an. Unter den fachmännischen Augen der Berufsexpertin nähte, schnitt und versäuberte sie und erledigte die Aufgaben so, wie sie es in Syrien gelernt hatte. Doch es zeigte sich, dass die Anforderungen in den beiden Ländern unterschiedlich sind und so gab es einiges, das nicht zur Zufriedenheit der Berufsexpertin war. Mona Isso konnte deshalb nicht auf Anhieb bescheinigt werden, dass ihre Kompetenzen in vollem Umfang denen einer ausgebildeten Maßschneiderin entsprachen. „Natürlich war ich zu Anfang traurig, dass ich es nicht gleich geschafft habe und hatte große Selbstzweifel, ob ich überhaupt gut genug bin“, sagt sie rückblickend. „Doch Stehenbleiben ist keine Option. Darum wollte ich auf jeden Fall den Folgeantrag stellen“, sagt Frau Isso.
Also nahm sie das Angebot der Berufsexpertin an, in ihrem Atelier ein Praktikum zu absolvieren und zu lernen, worauf es bei der Maßschneiderei in Deutschland wirklich ankommt. Sie sei sehr dankbar, dass sie die Chance erhalten habe. „Sowohl meine Beraterin bei der Handwerkskammer als auch die Berufsexpertin haben mir immer wieder Mut gemacht und gesagt, dass ich es mit genug Übung schaffen kann“, sagt die Syrerin. Schließlich hat sich Mona Isso wieder zur Fremdbewertung angemeldet und ihr Können in genau den Tätigkeitsbereichen gezeigt, an denen sie beim ersten Mal gescheitert ist. Im zweiten Anlauf gelang dies und sie erhielt ein Zertifikat, dass die volle Gleichwertigkeit ihrer Berufskompetenz bestätigt. Gerade ist sie dabei, sich auf die Gesellenprüfung vorzubereiten. „Ich bin sehr stolz, dass ich im zweiten Anlauf die volle Gleichwertigkeit erreicht habe. Das hat mich so motiviert, dass ich mir nun auch die Gesellenprüfung zutraue. Und wenn ich diese geschafft habe, ist auch eine Meisterprüfung denkbar.“
Gabi Seeberger ist mit Herzblut bei der Sache, wenn sie als Berufsexpertin die Kompetenzen der Teilnehmenden unter die Lupe nimmt. Ihr ist wichtig, dass die Menschen fair und ehrlich bewertet werden. „Schließlich stehe ich mit meinem guten Namen für die Qualität des Verfahrens“, sagt die 56-jährige Maler- und Lackierermeisterin. Seeberger ist seit dem ersten Validierungsverfahren dabei. Sie stand dem Validierungsverfahren zunächst skeptisch gegenüber. Genau das war der Grund für sie, mitzumachen. „Ich wollte sehen, wie das funktioniert. Welche Ergebnisse es bringt“, sagt sie.
Der einzige Weg, sich ein realistisches Bild von dem neuen Verfahren machen zu können, sei, es selbst auszuprobieren. Zwölf Mal hat sie die Fähigkeiten von Menschen bewertet, die Berufserfahrung, aber keine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringen. „Es war wirklich eine positive Überraschung, mit wie viel Elan, Wissen und Kenntnissen die Teilnehmenden in die Bewertung gegangen sind“, sagt Seeberger.
Seeberger weiß, wovon sie spricht, sie sitzt seit über 25 Jahren im Meisterprüfungsausschuss, hat einen eigenen Betrieb geführt und selbst ausgebildet. Über die Teilnehmenden, die sie im Validierungsverfahren der Kammer erlebt hat, sagt sie: „Da waren Menschen dabei, die müssen sofort in Arbeit und können auch sofort in die Privatkundschaft. Es wäre eine Schande, wenn diese in anderen Berufsfeldern unqualifiziert beschäftigt werden.“ Seeberger spricht von hochkompetenten, sehr sorgfältig arbeitenden Menschen, die in ihren Augen auch dazu beitragen können, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Für eben diese potenziellen Arbeitskräfte sei das Validierungsverfahren eine gute Möglichkeit, innerhalb kurzer Zeit eine Bescheinigung über die eigenen Fähigkeiten zu erhalten. Davon würden auch Betriebe profitieren. „So sieht ein Unternehmen direkt, was ein Bewerber oder eine Bewerberin kann. Betriebe müssen nicht mehr so viel Zeit ins Einarbeiten investieren, da die vorhandenen Kompetenzen durch das Validierungszertifikat sichtbar gemacht werden.“ Für Seeberger ist das Zertifikat ein Gütesiegel, weil es durch die Handwerkskammer ausgestellt wird und auch bei den Unternehmen hoch angesehen ist.
Was Martje Hoekmeijer besonders am Validierungsverfahren schätzt, ist, dass alle Beteiligten profitieren. „Zum einen profitieren die Teilnehmenden selbst, da sie nach erfolgreicher Fremdbewertung mit dem Zertifikat schwarz auf weiß haben, was sie können. Zum anderen aber auch (potentielle) Arbeitgeber. Denn sie wissen dank des Zertifikats genau, was die einzelne Person kann, wo sie gefördert werden muss und wie sie einzusetzen ist.“ Die 41-Jährige hat seit 2018 rund 50 Validierungsverfahren durchgeführt.
Martje Hoekmeijer ist es wichtig, die Qualität des Verfahrens dauerhaft hoch zu halten, denn sie weiß, dass ein Zertifikat der IHK für die Arbeitgeber für Qualität steht. Darum prüft sie im Vorfeld genau, wer für das Verfahren geeignet ist und wer nicht. „Ich tue niemandem einen Gefallen, wenn ich Interessenten zulasse, die nicht geeignet sind – weder den Teilnehmenden selbst, noch den (zukünftigen) Betrieben. Selbst wenn Interessenten viel Berufserfahrung mitbringen, heißt es nicht automatisch, dass sie auch fachlich gut sind“, sagt Martje Hoekmeijer. Dass sie es sind, müssen sie im Rahmen der Fremdbewertung unter Beweis stellen. Darum hält sie die Vorgehensweise, die vorhandenen Kompetenzen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen des Berufes zu bewerten – und diese auf dem Zertifikat zu vermerken – für genau richtig. So sei ganz klar, welche Kompetenzen die Teilnehmenden genau haben.
Dass die Unternehmen diese Transparenz genauso schätzen, weiß sie aus den zahlreichen Gesprächen, die sie mit Mitgliedsunternehmen führt. Denn neben den Teilnehmenden, die aus Eigeninitiative zum Validierungsverfahren finden, sind es auch Unternehmen, die ihre Beschäftigte darauf aufmerksam machen. „Sie wollen, dass ihre ungelernten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen ähnlichen Status haben, wie die formal Qualifizierten mit Berufsabschluss“, sagt die gebürtige Niederländerin. Außerdem können Betriebe ihre Beschäftigten durch die Möglichkeit zur Teilnahme am Validierungsverfahren an sich binden. Denn dadurch zeigen sie den Mitarbeitenden, dass sie geschätzt und gesehen werden. So hat Martje Hoekmeijer im Laufe der Zeit festgestellt, dass Arbeitgeber und Beschäftigte im Grunde das Gleiche wollen, auch wenn sie es unterschiedlich benennen: „Arbeitgeber wollen qualifiziertes Personal und Beschäftigte wollen Wertschätzung für ihre Qualifikation und Perspektiven für die persönliche Weiterentwicklung. Beide Seiten kommen durch das Validierungsverfahren ans Ziel.“